BAG-Urteil zu § 26 BDSG
Urteil des BAG zu § 26 BDSG (Beschäftigtendatenschutz) vom 8. Mai 2025 – 8 AZR 209/21
Zum Sachverhalt:
Die Beklagte verarbeitete personenbezogene Daten ihrer Beschäftigten ua. zu Abrechnungszwecken mit einer Personalverwaltungs-Software. Im Jahr 2017 gab es Planungen, konzernweit „Workday“ als einheitliches Personal-Informationsmanagementsystem einzuführen. Die Beklagte übertrug personenbezogene Daten des Klägers aus der bisher genutzten Software an die Konzernobergesellschaft, um damit Workday zu Testzwecken zu befüllen. Der vorläufige Testbetrieb von Workday war in einer Betriebsvereinbarung geregelt. Danach sollte es der Beklagten erlaubt sein, ua. den Namen, das Eintrittsdatum, den Arbeitsort, die Firma sowie die geschäftliche Telefonnummer und E-Mail-Adresse zu übermitteln. Die Beklagte übermittelte darüber hinaus weitere Daten des Klägers wie Gehaltsinformationen, die private Wohnanschrift, das Geburtsdatum, den Familienstand, die Sozialversicherungsnummer und die Steuer-ID.
Am 3. Juli 2017 unterzeichneten die Beklagte und der bei ihr bestehende Betriebsrat eine „Duldungs-Betriebsvereinbarung über die Einführung von Workday“ (im Folgenden BV Duldung), mit der sie den vorläufigen Betrieb von Workday regelten. Nach der BV Duldung war es ua. untersagt, die Software während des Testzeitraums für die Personalverwaltung zu verwenden. Weiter war dort vereinbart, dass vor der Einführung des Systems als Produktivsystem eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden muss, die die Anwendung von Workday regelt. In der Anlage 2 zur BV Duldung wurden die zur testweisen Nutzung der Software Workday aus der Personalverwaltungs-Software zu übermittelnden Daten aufgelistet: Personalnummer, Nachname, Vorname, Eintrittsdatum, Eintrittsdatum im Konzern, Arbeitsort, Firma, geschäftliche Telefonnummer und geschäftliche E-Mail-Adresse. Die Wirkungen der BV Duldung wurden bis zum Inkrafttreten einer unter dem 23. Januar 2019 im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens geschlossenen endgültigen Betriebsvereinbarung mehrfach verlängert.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO immaterieller Schadenersatz in einer Größenordnung von 3.000,00 Euro zu. Der Beklagten sei es nach der Datenschutz-Grundverordnung und den einschlägigen Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes nicht erlaubt gewesen, im Zeitraum vom 25. Mai 2018 bis zum Ende des ersten Quartals 2019 im cloudbasierten Personal-Informationsmanagementsystem Workday personenbezogene Echtdaten zu verarbeiten. Die Datenverarbeitung sei nicht zu Testzwecken für den späteren Betrieb von Workday als konzernweit einheitliches Personal-Informationsmanagementsystem erforderlich gewesen. Vielmehr hätten für die Testphase sog. Dummy-Versuchsdaten ausgereicht. Die Beklagte habe im Übrigen über die in der BV Duldung und deren Anlagen genannten Datenkategorien hinausgehend auch weitere Daten wie seine privaten Kontaktdaten, Vertrags- und Vergütungsdetails, seine Sozialversicherungsnummer, seine Steuer-ID, seine Staatsangehörigkeit und seinen Familienstand übermittelt. Soweit der Kläger zunächst auch beanstandet hatte, es sei überdies nicht rechtmäßig gewesen, seine personenbezogenen Daten auf eine Sharepoint-Seite der Konzernobergesellschaft mit Server-Standort in den USA zu übertragen und er insoweit Verstöße gegen Art. 28 und Art. 44 ff. DSGVO behauptet hatte, hat er sich darauf im Revisionsverfahren ausdrücklich nicht mehr berufen. Zuletzt hat sich der Kläger ausschließlich noch darauf gestützt, dass die Beklagte personenbezogene Daten verarbeitet habe, die von der BV Duldung nicht erfasst gewesen seien.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit Beschluss vom 22. September 2022 (- 8 AZR 209/21 (A) – BAGE 179, 120) hatte der Senat das Revisionsverfahren ausgesetzt und den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) um die Beantwortung von Rechtsfragen betreffend die Auslegung des Unionsrechts ersucht. Der EuGH hat diese mit Urteil vom 19. Dezember 2024 (- C-65/23 – [K GmbH]) beantwortet.
Zum Ergebnis: Die Revision des Klägers hatte vor dem Achten Senat des Bundesarbeitsgerichts teilweise Erfolg. Der Kläger hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO iHv. 200,00 Euro. Soweit die Beklagte andere als die nach der Betriebsvereinbarung erlaubten personenbezogenen Daten an die Konzernobergesellschaft übertragen hat, war dies nicht erforderlich iSv. Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. f DSGVO und verstieß damit gegen die Datenschutz-Grundverordnung. Der immaterielle Schaden des Klägers liegt in dem durch die Überlassung der personenbezogenen Daten an die Konzernobergesellschaft verursachten Kontrollverlust. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass er sich nicht weiter darauf beruft, auch die Übertragung der von der Betriebsvereinbarung erfassten Daten sei nicht erforderlich gewesen. Der Senat hatte daher nicht zu prüfen, ob die Betriebsvereinbarung so ausgestaltet war, dass die Anforderungen der Datenschutz-Grundverordnung erfüllt wurden.
Ergebnis:
1. Schadensersatz in Höhe von EUR 200,- gerechtfertigt wegen Kontrollverlusts
2. Das BAG findet, § 26 Satz 1 ist DSGVO-widrig und daher „nicht anzuwenden“
3. Tests können mit echten Beschäftigtendaten vorgenommen werden, müssen sich dann aber auf Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO stützen
Stand: 15.10.2025