Ende 2022 bekommen viele Unternehmen, Organisationen, aber auch Selbständige, die eine Website unterhalten, unerwünschte Post. Verschickt werden Deutschlandweit hunderte, wenn nicht Tausende von Abmahnungen von der RAAG Kanzlei und Rechtsanwalt Lenard, die für ihre Mandanten ein Schmerzensgeld durchsetzen wollen. Die Höhe liegt dabei zwischen EUR 120,- und EUR 170,-.
Grund für die Abmahnung ist eigentlich in allen Fällen die Nutzung von Google Fonts auf der Website des Abgemahnten. Mit dem Besuch auf der Website wird bei einer sog. dynamischen Verlinkung eine Verbindung zum Google-Fonts-Server in den USA aufgebaut und damit die IP-Adresse des Webseitenbesuchers übertragen. Eine solche Übertragung ist nach der DSGVO einwilligungspflichtig.
Die Abmahner meinen nun, dass eine Nutzung von Google-Fonts – ohne Einwilligung vor Besuch der Website - einen Unterlassungs-, einen Auskunfts- und einen Schadensersatzanspruch auslöst. Meist wird nur Letzteres wird mit den Abmahnungen von August bis Oktober 2022 geltend gemacht.
Unserer Ansicht nach ist ein solcher Schadensersatzanspruch nicht gegeben, weil er rechtsmissbräuchlich geltend gemacht wird. Der Verletzte macht Schmerzensgeld wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung geltend, die durch die Übertragung der IP-Adresse an die USA begangen worden sein soll. Gleichzeitig surft er gezielt Websites an, in der Hoffnung, Google-Fonts nutzende Seiten zu finden, mit dem alleinigen Ziel sie abzumahnen.
Folgende Argumente können Sie in einem Antwortschreiben (Muster) an die Google-Fonts Abmahner RAAG Kanzlei, und Rechtsanwalt Lenard, u.a. für den Mandanten Martin Ismail verwenden:
Überprüfen Sie schnellstmöglich, ob Google Fonts auf Ihrer Webseite dynamisch eingebunden ist, und wenn ja, binden Sie es statisch ein. Eine Anleitung, wie dies umsetzbar ist, findet sich beispielsweise hier.
Nach ersten Gesprächen mit der Staatsanwaltschaft Berlin wird schnell klar, dass ein Ermittlungsverfahren dann erfolgversprechend ist, wenn wirklich die auffälligsten Verstöße eingebracht werden. … Dies erscheint am erfolgversprechendsten bei denjenigen Fällen, bei denen der Betroffene seine Internetseite vor dem Datum der Abmahnung bereits rechtkonform gemacht hat, das heißt Google Fonts – sofern er sie überhaupt eingebunden hat – nur Remote eingebunden hat. Gleiches gilt bei den Fällen, bei denen überhaupt keine Google Fonts verwendet werden. Darüber hinaus ist noch diejenige Sachverhaltskonstellation relevant, bei welcher den Betroffenen falsche Quellcodes entgegen gehalten werden, so dass der Quellcode also gar nicht zum Quellcode der eigentlich betroffenen Seite passt.
Der DSW bittet deshalb darum, ihm besonders solche Abmahnungen zu übermitteln zusammen mit einer kurzen Sachverhaltsschilderung und der Mitteilung, ob der Betroffene als Zeuge in einem Strafverfahren zur Verfügung stehen würde.
Mailadresse: mail@dsw-schutzverband.de
Die beiden Verfahren beim DSW werden dort unter folgenden Aktenzeichen geführt: DSW 2 0006/22 (Kanzlei RAAG) und DSW 2 0007/22 (RA Lenard)
Aktuell läuft ein Ermittlungsverfahren gegen Rechtsanwalt Kilian Lenard. Laut Tagesspiegel wird gegen Rechtsanwalt Lenard „in 2418 Fällen von gewerbsmäßigem Betrug und Erpressung ermittelt, in rund 400 davon wegen versuchter Taten.“ Laut Ermittlungen soll Rechtsanwalt Lenard in den vergangenen Monaten mit seinen rechtsmissbräuchlichen Abmahnungen bisher ca. 350.000 € von diversen Websitebetreibern erpresst haben.
Es sei bekannt geworden, dass Lenards Mandant Martin Ismail die abgemahnten Websites nie persönlich besucht hat. Mithilfe einer speziell programmierten Software wurden Websites explizit gesucht und mit einer zusätzlichen Software wurden dann jene Webseiten, bei denen Google Fonts dynamisch eingebunden war, besucht und der Verstoß gegen die dynamische Einbindung von Google Fonts protokolliert, um eine Grundlage für die Abmahnungen zu schaffen. Da der Zugriff auf die Webseiten aber von einer speziell dafür programmierten, automatisierten Software und nicht von einer natürlichen Person stattgefunden hat, liegt laut Staatsanwaltschaft auch keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts vor. Die geforderte Schmerzensgeldforderung hätte somit nie bestanden.
Stand: Januar 2023
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