Dürfen die Zeiterfassungsdaten in Organisationen genutzt werden, um gegenüber Mitarbeitende eine Abmahnung (oder sogar eine Kündigung) zu erwirken? Das ist eine Frage, die uns letzte Woche im Datenschutz-Weekly erreichte. Die fragestellende Person wollte natürlich wissen, ob Daten, die ursprünglich rein zur Abrechnung erhoben wurden, auch GEGEN den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin verwendet werden können, wenn sich rausstellt, dass er/sie nicht wie angegeben gearbeitet hat (Zweckänderung!).
Wird von Mitarbeitern vorsätzlicher Arbeitszeitbetrug begangen, rechtfertigt das in aller Regel eine Abmahnung oder in drastischen Fällen sogar ggf. eine fristlose Kündigung. Hierzu gibt es auch schon einige Urteile, dass für die Beweisdarlegung beispielsweise Stempeldaten oder auch Videoüberwachungsdaten herangezogen werden können.
In dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 09. Juni 2011 wurde einer fristlosen Kündigung sogar ohne vorherige Abmahnung zugestimmt. Der Fall betraf eine Mitarbeiterin, die an sieben verschiedenen Tagen unzutreffende Arbeitszeiten notiert hatte, was zu einer unrechtmäßigen Mehrerfassung von 135 Minuten führte. Sie rechtfertigte ihr Handeln mit einer Betriebsvereinbarung, die besagte, die Arbeitszeit beginne „an der Arbeitsstelle“, und interpretierte dies so, dass bereits das Passieren der Schranke am Firmenparkplatz den Arbeitsbeginn bzw. das Arbeitsende markiere.
Das Bundesarbeitsgericht sah in ihrem Handeln einen wiederholten und vorsätzlichen Betrug hinsichtlich der Arbeitszeiterfassung. Es stellte klar, dass unter „Arbeitsstelle“ der eigentliche Arbeitsplatz zu verstehen sei, nicht der Firmenparkplatz.
BAG Urteil vom 29.06.2023 - 2 AZR 296/22
Ein Mitarbeiter wurde wegen Arbeitszeitbetrug von einer Gießerei entlassen, da er zwar zu Schichtbeginn das Werksgelände betreten und eingestempelt habe, aber das Gelände vor Schichtende wieder verlassen und sich diese Mehrarbeitsschicht trotzdem vergüten habe lassen. Am Werkgelände wurden – aufgrund anonymer Hinweise – Videokameras installiert, da der Vorwurf des Arbeitszeitbetrugs durch mehrere Mitarbeiter im Raum stand.
Das Gericht entschied, dass selbst wenn hier ein Verstoß wegen unzulässiger Videoüberwachung vorliegen würde, in diesem Fall die Klärung des vorsätzlichen Arbeitszeitbetrugs überwiegen würde. Die Videoaufzeichnungen duften somit auch im Kündigungsschutzprozess verwendet werden.
Soweit die Zivilgerichte.
Damit ist aber nicht gesagt, ob die Daten datenschutzrechtlich entsprechend verwendet werden durften, denn es kann hier ein dickes (datenschutzrechtliches) Ei nachfolgen, wenn z.B. eine Aufsichtsbehörde entscheiden sollte, dass eine Auswertung der Daten zum geänderten Zweck nicht erlaubt war.
Deshalb muss in zweierlei Hinsicht geprüft werden:
Das erste Thema ist ein datenschutzrechtliches Thema, das ich ordnungsgemäß behandeln muss – oder sollte, einschließlich aller Abwägungen. Datenschutzaufsichtsbehörden sind hier eher streng.
Das zweite Thema ist eine Frage der Verwertbarkeit der Daten im Zivilprozess. Hier sind die Zivil- und Arbeitsgerichte sehr großzügig!
Stand: März 2024
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