Herr Maximilian Größbauer meldet sich bei Newslettern an, die eine Datenübermittelung in die USA nicht eindeutig ausschließen, wie z.B. Klaviyo oder Mailchimp, oder auch anderen Newslettern. Anschließend schickt er ein privates Schreiben, mit einer Auskunftsanfrage nach Art. 15 DSGVO mit einer Frist von circa vier Wochen.
Wer nicht, nicht richtig oder nicht vollständig oder rechtzeitig Auskunft erteilt, erhält im Folgeschritt ein Abmahnschreiben der Berliner Kanzlei „brandt.legal“. Darin wird ein Schadensersatzanspruch in Höhe von bis zu 5.000, - EUR plus Anwaltskosten im vierstelligen Bereich geltend gemacht (gem. Art. 82 DSGVO).
Selbst wenn vollständig und rechtzeitig Auskunft erteilt wird, muss mit einem Abmahnschreiben gerechnet werden, wenn eine mögliche Übertragung in die USA nicht ausgeschlossen werden kann, vgl. Art. 46 Abs. 1 DSGVO.
Es wurden wohl bereits einige hundert Auskunftsanfragen durch Herrn Größbauer gestellt. Auch erste Nachahmer sind schon bekannt. Die momentanen Forderungen sehen ungefähr so aus:
Achtung: das Recht auf Auskunft steht tatsächlich jedem Betroffenen zu. Inwiefern bei nicht vollständiger oder falscher Auskunft ein Schadensersatzanspruch abgeleitet werden kann, ist allerdings fraglich, die Gerichte entscheiden hier sehr unterschiedlich. Bezüglich der Nichterteilung einer Auskunft nach Art. 15 DSGVO hat beispielsweise das LG Memmingen mit Urteil vom 09.03.2023 AZ 35 O 1036/22 entschieden, dass kein Anspruch auf Schadensersatz nach Art. 82 DSGVO besteht. Es gibt jedoch auch gegenteilige Rechtsprechung, sodass jedenfalls dem Auskunftsersuchen nachgekommen werden sollte.
Aber: Aus unserer Sicht handelt es sich bei der Anmeldung zu einem Newsletter, einzig aus dem Grund, um anschließend Auskunftsanfragen stellen zu können, um Rechtsmissbrauch. Je mehr dieser Fälle auftauchen, desto besser würde sich der auch nachweisen lassen. In einem solchen Fall wären auch die Anwaltskosten rechtmissbräuchlich.
Durch die zweistufige Vorgehensweise gestaltet sich dieser Fall jedoch schwieriger als der Fall Lennard und es muss im Einzelfall überprüft werden, ob eine Auskunft richtig erteilt wurde oder andere tatsächlich ersatzfähige Datenschutzverstöße vorliegen.
Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO
Nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO kann sowohl materieller, als auch immaterieller Schadensersatz gefordert werden, sofern ein Verstoß gegen die DSGVO vorliegt und dadurch (kausal) auch tatsächlich ein Schaden entstanden ist.
Materieller Schaden bedeutet dabei, dass ein Schaden sich im Vermögen/Eigentum niederschlägt. Dies ist zum Beispiel immer dann der Fall, wenn ein Anwalt vorgerichtlich tätig wird und dies entsprechend in Rechnung stellt. Der Schadensersatz ist dann genauso hoch wie die Anwaltskosten. Diese müssen allerdings nur dann auch bezahlt werden, wenn die Abmahnung berechtigt ist (der angebliche Schädiger also eine Rechtsverletzung tatsächlich begangen hat).
Immaterieller Schadensersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO
Der immaterielle Schaden hingegen ist ein nicht wirtschaftlicher Schaden und wird daher auch oft als Schmerzensgeld bezeichnet. Grundsätzlich sind immaterielle Schäden immer nur dann ersatzfähig, wenn dies gesetzlich normiert ist, vgl. § 253 Abs. 1 BGB.
Eine solche Normierung wird in Art. 82 Abs. 1 DSGVO vorgenommen, sodass eine Verletzung der informationellen Selbstbestimmung als Schaden durchgesetzt werden kann, sofern sie im Einzelfall nachweisbar sind. Dies ist deutlich schwieriger als einen Vermögensschaden nachzuweisen, weil gerade kein fest bezifferter Wert verlangt wird, sondern viel mehr bemessen werden muss, wie „schlimm“ etwas für die betroffene Person unter den Umständen des Einzelfalls ist und was eine angemessene Geldsumme hierfür ist.
EuGH Urteil vom 04.05.2023, C-300/21 zum Schmerzensgeld
Ein österreichscher Bürger klagt gegen die Österreichische Post AG, weil diese personenbezogene Daten ohne Einwilligung verarbeitet haben soll.
Darin wird zunächst grundsätzlich festgestellt, dass der Verstoß gegen die DSGVO allein noch keinen Anspruch begründet. Jedoch darf ein immaterieller Schadensersatz grundsätzlich nicht an eine sogenannte Erheblichkeitsschwelle gekoppelt sein, da dies den Erwägungsgründen widerspricht. Das Vergehen oder der Schaden muss also nicht besonders erheblich sein, damit Schmerzensgeld verlangt werden kann.
LG München I, Endurteil vom 20.01.2022 - 3 O 17493/20
Uns allen ist das Urteil zu Google Fonts bekannt. Auch hier wurde ein Schadensersatz in Höhe von 100,00 EUR aufgrund von immateriellen Schäden, im Detail wegen Kontrollverlust und Unwohlsein, zugesprochen.
Auskunftsbeispiel nach Art. 15 DSGVO
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Es handelt sich hierbei um eine vollständige Auskunftserteilung aller uns bekannter Daten in Bezug auf ihr Auskunftsverlangen.
Mit freundlichen Grüßen ……
Disclaimer: Hierbei handelt es sich lediglich um ein Beispiel. Es ist immer eine individuelle Prüfung nötig, welche Situation genau vorliegt.
Neu ist nun, dass Maximilian Größbauer anscheinend nach Erlass eines Mahnbescheides, wenn man daraufhin nicht bezahlt hat, einen Vollstreckungsbescheid beantragt.
Auch das ist natürlich grundsätzlich zulässig, sofern es sich um eine berechtigte Forderung handelt. Genau das dürfte aber bei der Geltendmachung einer „Schmerzensgeldforderung“ wegen Verletzung des informationellen Selbstbestimmungsrechts vorliegend nicht der Fall sein. Im Urteil des LG München vom 23.03.20234, Az O 13063/22 (2. Google-Fonts-Urteil) ging es u.a. um einen Anspruch gegen den Kläger auf Zahlung eines Schmerzensgeldes aufgrund des Einbindens von Google-Schriftarten auf einer bestimmten Website. Der Fall ist durchaus vergleichbar, zumindest hinsichtlich der (vom Gericht abgelehnten) Schmerzensgeldansprüche.
Das Landgericht argumentiert hier sehr nachvollziehbar wie folgt:
„1. Der mutmaßlich vom Beklagten eingesetzte Crawler sollte ja gerade Websites mit dynamischer Google-Fonts-Einbindung finden. Die Übertragung der IP-Adresse in die USA war dann auch zwingende Voraussetzung, um überhaupt einen Unterlassungsanspruch geltend zu machen. Wer sich aber bewusst und gezielt in eine Situation begibt, in der ihm eine Persönlichkeitsrechtsverletzung droht, gerade um die Persönlichkeitsverletzung an sich zu erfahren, um sodann daraus Ansprüche zu begründen, ist nicht schutzbedürftig. …
Vor dem AG Augsburg (Urteil vom 27.06.2024, Az.18 C 3234/23) wollte Hr. Größbauer zusammen mit seinen Anwälten den Schadensersatz durchstreiten. Laut RA Dr. Greger wohl ein Testballon.
Das Amtsgericht ordnet allerdings das persönliche Erscheinen des Herrn Größbauer an und führte aus: „Nachdem das Gericht davon ausgeht, dass der Kläger kein Masochist ist, ergibt dieses Verhalten aber dann Sinn, wenn es dem Kläger darauf ankommt, Geld zu verdienen und er hierfür Angst, Sorgen und emotionales Ungemach in Kauf nimmt.“
Hr. Größbauer erschien (nicht überraschend) nicht und die Klagepartei kassierte eine Klageabweisung.
Zudem meint das Gericht, dass die Beschwerde zur Datenschutzbehörde erst eine Woche vor Termin zeige, dass Herr Größbauer vor allem strategisch in Ansehung der mündlichen Verhandlung agiere.
Im Ergebnis wurde nun also der Schmerzensgeldanspruch von Hr. Größbauer zurückgewiesen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Stand: 15,11.2023
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